Über Vielfalt und Geschichte der Bier-Trinkgefäße

 Natürlich gibt es sie überall in Deutschland: die leidenschaftlichen "Aus-der-Flasche-Biertrinker". Und zugegeben — es hat schon etwas, so ein kühles, köstliches Blondes direkt aus der griffigen Flasche die Kehle hinabrinnen zu lassen. Doch hat sich zweifelsohne neben der urig-deftigen Variante vor allem die gediegene Methode durchgesetzt: Auf Wirtshaus-, Restaurant- und Wohnzimmertischen regieren unangefochten Bierglas und Bierkrug.

Jede Biersorte hat ihre eigene traditionelle Glasform

Dabei ist es schlichtweg unmöglich, von "dem" Bierglas zu sprechen, so vielfältig sind Form und Verwendung. Denn einem echten Kenner schmeckt es halt aus dem passenden Glas am allerbesten: Das Pils genießt man gerne aus der Tulpe, ein Helles gehört in den Krug. Auch regionale Spezialitäten wollen typgerecht eingeschenkt genossen werden. Das Kölsch etwa entfaltet nach Kennermeinung sein mildes Aroma ideal in der schmalen Kölschstange, das Alt der rheinischen Nachbarn liebt den gedrungeneren Becher. Oder das köstliche Produkt bayerischer Braukunst: erfrischend-prickelndes Weizen. Zu ihm passt halt nur das hohe, dickwandige Weizenbierglas.

Welches Glas zu welchem Bier passt, bestimmt keineswegs nur die Optik. Geschmack, Schaumstabilität und Frische eines Bieres hängen ganz entschieden vom "Drumherum" ab. Die vielen deutschen Brauereien haben häufig eigene Glas- oder Krugvariationen, die optimal auf ihre eigene Biermarke abgestimmt sind. Gemeinhin gilt aber die Faustregel: Je malziger ein Bier, desto dickwandiger sollte das Bierglas sein, je hopfiger, desto höher und schlanker. Länger frisch bleibt der Gerstensaft samt seiner Schaumkrone, wenn Durchmesser und Glasdicke eher groß sind, dann nämlich kann sich das Bier nicht so rasch erwärmen.

Was Glas und Krug verraten

Solch feine, geschmackstechnische Entscheidungen haben freilich noch keine allzu lange Tradition in der deutschen Bier-Geschichte. Gültigkeit besitzt dagegen seit eh und je das Sprichwort: "Am Becher erkennt man den Zecher", festgehalten auf einem alten Tonkrug. Schließlich geben Trinkgefäße anschaulich Aufschluss über die kulturelle Entwicklung der Völker. Bei den Germanen, heißt es etwa, habe der blanke Tisch als Teller gedient, als Trinkgefäß werden wohl Becher aus Holz oder Ton, womöglich auch Tierhörner, hergehalten haben.

Ein Recht auf Individualität gab es lange Zeit nicht: Der Bierbecher wurde noch bis zu Zeiten Karls des Großen freundschaftlich geteilt und in der Runde herumgereicht.

Gerstensaft aus Zinn und Silber

Ganz anders sahen die Trinkgewohnheiten der — wohlgemerkt wohlhabenden — deutschen Bürger im 12. und 13. Jahrhundert aus. Sie genossen ihren Gerstensaft vorzugsweise aus dem eigenen Zinnbecher, wenig später fanden sie auch Gefallen an teuren Silberpokalen. Ebenfalls im 13. Jahrhundert kamen Steinzeugkrüge in Mode. Sie wurden bei Temperaturen von 1.200 bis 1.300 Grad Celsius gebrannt und waren außerordentlich widerstandsfähig. Vor und während der Renaissance, im 15. Jahrhundert, wurde der Humpen geboren. Das kräftige Gefäß, mit Griff und häufig auch einem Deckel versehen, erfreut sich noch heute großer Beliebtheit und hat seine Form kaum verändert. Vielfältig waren die verwendeten Materialien: Humpen stellte man aus Zinn, Silber, Keramik, Glas, im hohen Norden gar aus Holz her. Reichhaltig waren auch die Gestaltungsmöglichkeiten: Wappen, historische und biblische Szenarien wurden auf den dekorativen Stücken verewigt — für den kleinen Bürger allerdings blieben solche Meisterwerke der Handwerkerkunst gewöhnlich ein unerschwingliches Fest fürs Auge.

Gläsernes Vergnügen — mal üppig verziert, mal sachlich garniert.

Im Laufe der Zeit wurde der Humpen vom Bierglas abgelöst und meist für besondere Anlässe verwahrt. Doch die schlanken Gläser standen ihrem gewichtigen Vorgänger in Sachen Schönheit keineswegs nach: Auch sie wurden oft üppig dekoriert, bemalt oder mit Emaille verziert. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts zum Beispiel liebte man farblose Gläser, zartes Dekor und transparente Malerei, nur zwei Jahrzehnte später floss das Bier in dickwandige Becher aus einfarbigem oder gar buntem Glas.

Heute haben sachliche und dezente Formen die üppige Dekorationsvielfalt von einst weitestgehend abgelöst, das bevorzugte Material ist Glas. Doch haben die Zeugen längst vergangener Tage nach wie vor Hochkonjunktur: Bei Auktionen werden seltene, vorzugsweise signierte Stücke auch schon mal für fünfstellige Summen gehandelt. Wer nicht so tief in die Tasche greifen möchte, kann bei einem Gang durchs Museum — zumindest für kurze Zeit — die Geschichte der Trinkkultur nacherleben. Das macht bekanntlich durstig. Abhilfe schafft da anschließend nur ein in vollen Zügen genossenes frisches Bier.



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